Autor Alois Prinz zu Gast

Der im vergangenen Jahr für sein Gesamtwerk ausgezeichnete Jugendbuchliterat Alois Prinz besuchte unlängst die Alfred-Delp-Schule in Hargesheim.

Dort referierte er zum einen vor den Zehntklässlern der Realschule plus über die Terroristin Ulrike Meinhof und zum anderen vor den zehnten Gymnasialklassen über den sensiblen Autor Franz Kafka, folglich zwei Persönlichkeiten der Vergangenheit, die konträrer nicht hätten sein können. Anja Schneider, Inhaberin der „Leseratte“ und Buchhändlerin aus Leidenschaft, hatte gemeinsam mit der verantwortlich zeichnenden Lehrerin Claudia Römer im Hintergrund die „Strippen gezogen“.

Aufmerksamkeit erzielte Prinz, der in seiner Familie als „schwarzes Schaf“ gilt, wie er mit Augenzwinkern verriet, seine sechs Brüder sind allesamt Mediziner geworden und auch sein Väter hätte ihn gerne in diesem Bereich gesehen, mit seinen eindringlichen Worten zur Person Ulrike Meinhof. Sie, schon früh Waise geworden und dann von Renate Rimek, der ersten deutschen Professorin, in Obhut genommen, galt lange als „nettes, aufgewecktes Kind“, „sehr beliebt“, „sehr mitleidsfähig“, „verletzbar von fremdem Leid“. Der Wechsel an eine katholische Schule, wo sie 1955 ihr Abitur ablegte, brachte ihr „echte Toleranz“, „eigentliche Wahrheit des Christentums“. Sie engagierte sich als (evangelische) Schülerin als Schulsprecherin und wollte Pädagogik, Germanistik und Psychologie studieren. Die Walldörfer Schulpraxis ermöglichte ihr das Eindringen in die tiefen Probleme. „Werden in Deutschland Atombomben stationiert?“, dies war nur eine der Fragen, mit denen sie sich ernsthaft auseinandersetzte. In einer Zeit, in der die Männer „das Sagen hatten“, die Universitäten sehr konservativ betrieben wurden und „sprechende Frauen“, etwa für ein kernwaffenfreies Deutschland, „besonders“ waren, wuchs Ulrike Meinhofs Bewusstsein für die Veränderungen der Zeit und die gesellschaftlichen Umwälzungen. Sie heiratete den Journalisten und Publizisten Klaus Rainer Röhl, einen wahren „Lebemann“, der „auf großem Fuß“ lebte, und mit ihm gemeinsam machte sie sich einen Namen als „Glamourpaar von Hamburg-Blankenese“. Dieses High-Society-Leben konnte Meinhof jedoch auch nicht davor bewahren, an einem Hirntumor zu erkranken, den sie nach der Geburt ihrer Zwillingsmädchen operieren ließ. Auch ihre Ehe war von keinem guten Stern beschienen. Ganz im Gegenteil: Röhl war „chronisch“ untreu, die Zeitung „Konkret“ hatte ihre beste Zeit gesehen. 1968 verschwand Ulrike Meinhof nach Berlin, wo sie Andreas Baader und Gudrun Ensslin kennenlernte, beide keine unbeschriebenen Blätter und weitaus gewaltbereiter als Meinhof selbst. Die gesamte deutsche Gesellschaft sollte verändert werden. „Von einem Moment auf den anderen wurde aus dem einstigen „Blockflötenmädchen“ eine „Mörderin“ und „Terroristin“, die vor nichts zurückschreckte. Am 9. Mai 1976 verstarb sie in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart.

Franz Kafka, dessen 100. Todestag am 3. Juni begangen wird, war von Beginn seines Lebens eine zarte, in sich brüchige Persönlichkeit. Ihm wurde die Lust am Schreiben und an der Kreativität eine Last, seine stete Suche nach der einen, wahren Liebe, die ihn „befreit“, sollte ihn sein gesamtes (kurzes) Leben über begleiten. Kafka, der niemals berühmt werden wollte, ist inzwischen „merchandising“, wie Autor Alois Prinz eindrucksvoll aufzeigte. Es lag nie in seinem Interesse, dass seine Texte publiziert werden sollten. „Verbrenn‘ es! Zerstör‘ es!“, bat er seinen Freund Max Brod eindringlich, doch dieser bewahrte alles auf. Von Kafka selbst ist tatsächlich lediglich eine einzige Lesung 1916 in München (Nähe Odeonsplatz) überliefert, die einen „großen, schmalen Mann“ präsentierte, der mit dem, was er präsentierte, Frauen in die „Ohnmacht“ trieb. Zeitungen berichteten später von einem „Lüstling des Entsetzens“, was sicherlich nicht vom Dichter selbst intendiert war. Schaut man sich seine Erzählung „Die Strafkolonie“ an, so fällt seine „völlig emotionslose“ Sprache auf. „Richtige Literatur kommt von ganz unten“, so Kafka, „meist im Halbschlaf“ kamen ihm die besten Ideen, die auch vor der Darstellung von Sex und Gewalt nicht zurückschreckten, wie Alois Prinz mit immer neuen interessanten Einblendungen den jungen Leuten zu zeigen verstand. „Franz Kafka war ein Vegetarier, der alles 40mal kaute, er trank keinen Alkohol oder Kaffee, nackt betrieb er Sport am offenen Fenster“, so Prinz. Schon früh hatte er lernen müssen, dass „Schreiben unmännlich“ sei. Sein Vater verstand Franz nicht, er war so ganz anders, als sein Sohn hatte sein sollen. Die Angst vor Zurückweisung verließ Kafka zeit seines Lebens nicht, er selbst „hielt sich selbst für ziemlich dumm“, man witterte gar eine „Verschwörung der Lehrer“ gegen ihn. Seine Erzählung „Die Verwandlung“, von der Prinz einige filmische Sequenzen präsentierte, offenbart die Verletzlichkeit eines in sich unglücklichen Menschen, der mit dem Leben nichts anzufangen weiß. Die Kamera nimmt die Perspektive des Käfers ein und folglich die Furcht vor der Bedrohung von außen. „Von Mütterchen Prag komme ich nicht weg“, meinte Kafka einmal, Berlin war ihm „Inbegriff eines eigenen Lebens“, was er sich so sehnlich wünschte. Margarete Kirchner und Felice Bauer waren Frauen auf seinem Weg, das Gefühl von Liebe hielt niemals lange. Allein Dora Diamant, die bis zu seinem Tode bei ihm war, stand Franz Kafka treu zur Seite. „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Eis in uns“, ein Satz des Dichters, der einen so schnell nicht wieder loslässt.

Schüler und Lehrer waren von diesen beiden großartigen Präsentationen zweier schillernder Persönlichkeiten der Zeitgeschichte mehr als beeindruckt. Alois Prinz war es gelungen, mit ihnen zu interagieren, sie hineinzuziehen in das Geschehen. Ein nachhaltiger Vormittag, der in Erinnerung bleiben wird!

Autorin: Claudia Römer