Eine Kindheit ohne Bücher wäre keine Kindheit...

„Eine Kindheit ohne Bücher wäre keine Kindheit. Es wäre, als ob man aus dem verzauberten Land ausgesperrt wäre, aus dem man sich die seltsamste aller Freuden holen könnte.“ Wer anderes als die bis in die heutigen Tage sehr beliebte schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren kann diesen Satz gesagt haben?

Für sie bedeutete Lesen „Magie“, denn sie schrieb nicht nur so wundervolle Werke wie „Michel aus Lönneberga“, „Pippi Langstrumpf“, „Ferien auf Saltkrokan“ und „Ronja Räubertochter“, sie las auch alles, was sie zwischen die Finger bekam, und betonte stets aufs Neue, wie unglaublich wichtig gerade das Lesen für Kinder und Jugendliche sei. So erzählte sie einmal, dass ihre Liebe zum Buch im „Haus der Nachbarn“ geweckt worden sei, als die etwas ältere Edit eben ihr und ihrem Bruder Gunnar Kostproben ihres Könnens gegeben habe: „Wir saßen dort auf dem Boden, mein Bruder und ich, und lauschten, wie sie die wunderbare Geschichte von dem Riesen Bam-Bam und der Fee Viribunda vorlas. Ja, dass wir nicht auf der Stelle gestorben sind! In diesem Moment erwachte in mir der Lesehunger, und mit der ganzen Ungeduld einer Vierjährigen starrte ich auf diese seltsamen schwarzen Kritzeleien, die Edit entziffern konnte, ich aber nicht, und die plötzlich durch irgendeinen seltsamen Zauber die ganze Küche mit Feen, Riesen und Zaubereien füllen konnten“ (Astrid Lindgren, Über den Lesehunger, aus „Vi husmödrar“-Magazin 1956). Und eben diese Magie ist es, die jedes Kind umfangen sollte, um ihm die Schönheit und die Faszination des geschriebenen Wortes zu vermitteln! Ohne Lesen beraubt man sich selbst eines Teils der Persönlichkeit, die es aus vollem Herzen genießt, abzutauchen in unbekannte Sphären, sich einholen zu lassen von den unterschiedlichsten Charakteren, die einem auf seiner „Reise“ begegnen, den Landschaften, die einen zu den entferntesten Zipfeln der Erde führen, und den spannenden Abenteuern derer, die im Fokus der Erzählung stehen. Jedes Menschenkind, dem die Liebe zum Buch hoffentlich bereits in die Wiege gelegt worden ist und das beglückt eine Seite nach der anderen in sich aufnimmt, widmet sich begeistert dem Zauber dieser Kunst, Buchstaben zusammensetzen und zu Sätzen formen zu dürfen, um dann – losgelöst von Raum und Zeit – alle Hektik, den Stress des Alltags, das Laute und Unangenehme, Beängstigende und Verwirrende hinter sich zu lassen und aufzubrechen zu einer Expedition, deren Ziel man noch gar nicht kennt und dem man neugierig entgegenfiebert. Lesen bildet und kostet nichts, im Gegenteil, es bringt allein Vergnügen, Lesen bereitet einfach nur unglaubliche Freude und erfüllt den ganzen Menschen. Auf den Flügeln der eigenen Fantasie davonzufliegen, ohne zu ahnen, wo man landen wird, macht die Magie des Schmökerns aus. Es gehört zu den bereicherndsten Hobbys und erfüllt Herz und Geist. Jeder, dem es gelingt, der Welt zu entkommen, sich in die verschiedensten Texte zu versenken – und darin ist jeder frei -, den Blick auf die Uhr auszublenden, wird eines der erfüllendsten Geschenke erhalten. Besucht man die Buchhandlungen mit all ihren gemütlichen Leseecken und prall gefüllten Regalen, erfährt man hautnah, dass sich das Auge nicht sattsehen kann an all den Schätzen, die auf ihre neuen Besitzer warten.

Dieses „Wunder“ bedenkend, entsandte die sechste Jahrgangsstufe vor wenigen Wochen elf Mädchen und Jungen zum bundesweit größten Schülerwettbewerb des deutschen Buchhandels, der seit 1959, also mittlerweile 66. Mal, mit Buchhandlungen, Bibliotheken, Schulen und kulturellen Einrichtungen durchgeführt wird. Erich Kästner, Dresdner Autor und Schöpfer herrlicher Bücher wie „Pünktchen und Anton“, „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Das doppelte Lottchen“, war einer seiner wohl renommiertesten Mentoren.

Im Vorfeld dieses schulinternen Wettstreits hatten alle Klassen ihren besten Vorleser gekürt, der nun vor der versammelten Jahrgangsstufe in der Aula einen Ausschnitt aus seiner selbst vorbereiteten Lieblingslektüre vortrug. Diese Szenen waren so vielschichtig und abwechslungsreich wie die Kinder, die sich trotz großer Nervosität und Anspannung ihrer Aufgabe stellten. Von Mona Kastens „Save me/Maxton Hall“ über Mick Elliotts „Larry Lauch zerstört die Schule“ bis hin zu Enid Blytons „5 Freunde und das Teufelsmoor“ reichte die Spanne der Lieblingslektüren, eine spannende Auswahl.

Als sich die Besten ihres Jahrgangs hiermit präsentierten, den Autor vorstellten und den Inhalt kurz zusammenfassten, sich dann der schönsten und aufregendsten Aufgabe des Vormittags stellten, nämlich dem Vorlesen, konnte man die Nervosität fast mit Händen greifen. Die elf Leseasse sind die uneingeschränkten Stars dieses Wettstreits, ihnen schenkt man alle Aufmerksamkeit. Sich mit ihnen auf die Reise zu begeben, ihnen zu folgen und ebenfalls einzutauchen in eine fremde Welt, das macht den besonderen Reiz dieser Veranstaltung aus. Wer mit Freude liest, übt seine Kommunikationsfähigkeit. Er kreiert erzählend aufregende und intensiv erfahrbare Texte und kann seinem Gegenüber ein komplett neues Universum bieten.

Dabei sind es die drei Faktoren Intonation, Lesetempo und Stimmvariation, die beachtet werden müssen. Schon in der Vorbereitungsphase übten sie unter Anleitung ihres jeweiligen Deutschlehrers, darauf zu achten und jeden Text als den einzig „Wahren“ zu betrachten. In einem zweiten Teil mussten sie dann den Auszug aus einem Fremdtext nicht nur spontan annehmen, sondern darüber hinaus auch ansprechend gestalten.

Den Lesechampions fiel dies natürlich nicht schwer. Als Lohn für ihre Leistungen erhielten Laura Petry, Felix Schrick, Mila Jörg, Sari Ruby, Melina Martins Spira, Lena Böttcher, Leyna Eleonor Ghazouani, Philipp Kunz und Sophia Leydecker nicht nur ihre verdiente Urkunde, sondern zudem selbstverständlich auch ein Buchpräsent. In diesem Jahr war es der im letzten Herbst mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Roman „Wolf“ von Sasa Stanisic. Hierin beobachtet der Autor meisterhaft, wie fragil der Grat zwischen Anderssein und Ausgrenzung ist, wie verletzend Mobbing sein kann und wie unfassbar wichtig Freundschaft und Empathie gerade in nicht ganz so einfachen Zeiten sind.

Marc Häberlin, 1. Konrektor der Realschule plus, die beiden Organisatorinnen Susanne Schnörr und Claudia Römer, Katharina Kayser und Dr. Marion Roth (Orientierungsstufenleitung) gratulierten den Siegern im Namen der Schulgemeinschaft. Henri Lang (6f) und Livia Marie Marchert (6g) werden beim Kreisentscheid im Februar ihre außerordentlich gute Lesekompetenz einem größeren Publikum präsentieren. Viel Erfolg!

Autorin: Claudia Römer

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